Das kommt überraschend: Während an den Märkten zuletzt damit gerechnet wurde, dass die Zinsen womöglich gar nicht mehr weiter sinken, ist nun auf einmal sogar die Rede von vier Zinssenkungen bis zum Sommer. Was steckt dahinter? Zuerst: Es geht bei der Prognose nicht um die USA, sondern um Europa und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank.
Bastian Freitag, Leiter Fixed Income Deutschland bei Rothschild & Co Wealth Management, hält Zinssenkungen von jeweils 25 Basispunkten in den kommenden vier Sitzungen für wahrscheinlich. Der neutrale Zinssatz, der als Orientierungspunkt dient, dürfte dabei zwischen 2,0 und 2,5 Prozent liegen.
Erstes Argument: „Für einen graduellen Pfad weiterer Zinssenkungen spricht zum einen, dass sich die Inflation im Jahresverlauf 2024 schneller als erwartet dem EZB-Ziel von 2 Prozent angenähert hat: von 2,9 Prozent im Dezember 2023 auf 2,4 Prozent im Dezember 2024, wobei sie im September mit 1,7 Prozent sogar unter die Zielmarke fiel.“
Außerdem seien die langfristigen Inflationserwartungen in der Eurozone auch künftig „fest verankert“. Die 10-jährige Breakeven-Inflation in Deutschland liege bei 1,9 Prozent. 5Y5Y-EUR-Inflation-Swaps seien zuletzt auf 2,1 Prozent gefallen.
Zusätzlich zeige auch die EZB-Umfrage zur Drei-Jahres-Inflationserwartung einen Rückgang auf 2,4 Prozent im aktuellen Jahr.
Politische Unsicherheiten und eine heterogene Wachstumsentwicklung würden die Eurozone prägen. So sei das BIP in Deutschland 2023 um 0,3 Prozent gefallen, während es in Spanien um 2,7 Prozent stieg.
Was die Senkungen verhindern könnte
Als Risiko wird ein positiver Inflationsschock genannt. Der kürzliche Anstieg auf 2,4 Prozent im Dezember 2024 sei jedoch erwartet worden und auf Basiseffekte wie höhere Benzinpreise zurückzuführen.
Was die Senkungen beschleunigen könnte
Eine restriktive Handels- und Zollpolitik durch Donald Trump könnte die ohnehin fragile Wirtschaft der Eurozone weiter belasten. In diesem Szenario könnte die EZB die Zinsen sogar stärker senken als bisher prognostiziert.
Rothschild & Co Wealth Management ist ein familiengeführtes Unternehmen mit rund 4200 Finanzspezialisten in 40 Ländern.
Grundsätzlich sollten sinkende Zinsen positiv für die europäischen Aktienmärkte und damit auch den DAX sein, da unter anderem die Attraktivität von Aktien gegenüber dem risikolosen Zins steigt. Zudem können sich Unternehmen günstiger mit Kapital versorgen.