Ein überraschender Jahresverlust hat am Montag den jüngsten Kursrutsch der Covestro-Aktien verschärft - aber nur kurz. Die Papiere des Kunststoffkonzerns waren nach vier Verlusttagen in Folge im frühen Handel zunächst um rund fünf Prozent abgesackt, erholten sich aber schnell und drehten am späten Vormittag sogar merklich ins Plus.
Experten zufolge hatte sich schon angedeutet, dass Covestro seine Prognose für den operativen Gewinn nicht mehr erreichen kann und unter dem Strich wegen Abschreibungen sogar ein Verlust steht. Zudem hoffen die Anleger darauf, dass das Unternehmen nun das Schlimmste erst einmal hinter sich hat. Aktuell steigen die Anteilsscheine von Covestro um fast zwei Prozent auf 41,11 Euro.
"Tiefpunkt ereicht"
Wertberichtigungen latenter Steuerforderungen sowie hohe Abschreibungen auf Anlagevermögen hatten Covestro 2022 in die roten Zahlen gerissen. Auch im Tagesgeschäft schnitt das Unternehmen wegen hoher Gas- und Energiekosten und einer schwachen Nachfrage schlechter ab als gedacht. Kurz vor dem Jahresende kam auch noch ein Schaden an der Chlorelektrolyse des Konzerns in Uerdingen hinzu, der die Produktion von harten Kunststoffen und dem Hartschaumvorprodukt MDI beeinträchtigte.
Wegen des Verlustes 2022 könnte die Dividende nun wackeln. Analyst Chetan Udeshi von der US-Bank JPMorgan wies darauf hin, dass die Ausschüttung sich am Nettogewinn orientiere und damit wahrscheinlich für 2022 und 2023 ausbleiben werde. In Summe befürchtet der Experte eine weitere deutliche Korrektur der Markterwartungen.
Georgina Fraser von der US-Investmentbank Goldman Sachs allerdings betonte, dass es schon Andeutungen von Covestro für eine Gefahr von Abschreibungen und hinsichtlich des Dividendenrisikos gegeben habe. Auch darüber hinaus gab sich die Expertin durchaus zuversichtlich: Die Öffnung Chinas nach der Corona-Pandemie und eine mögliche Aufstockung der Lagerbestände durch Covestro-Kunden ab dem zweiten Quartal gäben durchaus Anlass für einen gewissen Optimismus.
Eher gelassen äußerte sich auch Analyst Geoff Haire von der Schweizer Großbank UBS. Die Eckdaten des Kunststoffkonzerns für 2022 seien ein "Realitätscheck" für die Anleger, aber keine Überraschung. Der Barmittelzufluss habe sogar die Erwartungen übertroffen, die Cashflow-Rendite sei eine Stütze für die Aktien.
Ein eher positives Fazit zog auch Analyst Peter Spengler von der DZ Bank. "Auch wenn die berichteten Zahlen enttäuschen, könnten wir den Tiefpunkt der Geschäftsentwicklung erreicht haben."
Die Reaktion der Marktteilnehmer ist wohl auch ein weiteres Indiz dafür, in welchem Maße negative Entwicklungen bereits im Kurs von Covestro (und vermutlich auch anderen Chemieaktien) eingepreist waren. Wichtig für die künftige Kursentwicklung dürfte nun die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft werden. Und da sich diesbezüglich die Worst-Case-Szenarien aus dem Vorjahr womöglich doch nicht erfüllen, können Mutige bei Covestro weiterhin zugreifen (Stopp: 28,00 Euro).
Mit Material von dpa-AFX